M. Ott: Salzhandel in der Mitte Europas

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Titel
Salzhandel in der Mitte Europas. Raumorganisation und wirtschaftliche Außenbeziehungen zwischen Bayern, Schwaben und der Schweiz, 1750-1815


Autor(en)
Ott, Martin
Reihe
Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte 165
Erschienen
München 2013: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
663 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Gabi Schopf, Historisches Institut, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Als wertvolle Handelsware, überlebenswichtiges Konservierungsmittel, zentrales Objekt in religiösen Ritualen und wichtige Einnahmequelle zahlreicher Staaten spielte das Salz im politischen, ökonomischen und kulturellen Leben der frühen Neuzeit eine entscheidende Rolle. Trotzdem fand der zwischenstaatliche Salzhandel, den Martin Ott in seiner Habilitationsschrift untersucht, bislang weder in der neueren Politikgeschichte noch in der Wirtschaftsgeschichte grossen Widerhall. Mit dem Ziel, die Diplomatiegeschichte um ökonomische Aspekte zu erweitern, nimmt Ott damit Staaten als wirtschaftliche Akteure in den Blick. Konkret fragt er, welche Rolle wirtschaftliche Interessen in der Diplomatie spielten und wie zwischenstaatlicher Handel und Kommunikation organisiert wurden. Dazu bedient er sich raumtheoretischer Ansätze, die allerdings nur teilweise überzeugen können.

Im ersten von drei Teilen analysiert Ott die räumlichen Grundlagen des Salzhandels zwischen Bayern und der Schweiz. Er beschreibt Bayern als Salzexporteur und argumentiert, dass reale räumliche Begebenheiten, wie die Verteilung der Produktionsstätten, räumliche Entfernung und Transportwege, die Güterströme und Handlungsoptionen der Protagonisten im Salzhandel determinierten. Mit Hilfe einer Topographie der möglichen Absatzgebiete zeigt er, warum gerade der relativ weit entfernte Schweizer Raum für Bayern im späten 18. Jahrhundert einen interessanten Wachstumsmarkt darstellte. Allerdings lenken ausufernde Beschreibungen der einzelnen Produktionsstätten, jeweils seit ihrer Gründung, und der Absatzräume – Analyse jedes einzelnen Schweizer Kantons – von den zentralen Argumenten ab. Das Problem zieht sich leider durch das gesamte Buch, kommt aber in diesem Kapitel besonders stark zum Tragen.

Nach der Beschreibung dieser Grundlagen widmet sich Ott der zwischenstaatlichen Kommunikation und der Organisation des Handels zwischen Bayern und der Schweiz im 18. Jahrhundert. Er kommt zum Ergebnis, dass die klassische diplomatische Kommunikation im zwischenstaatlichen Salzhandel eine untergeordnete Rolle spielte. Stattdessen wurden die zwischenstaatlichen Verhandlungen massgeblich durch Verwaltungsbehörden geprägt und zeichneten sich durch flexible Kommunikation über eine Reihe von formellen und informellen Kanälen aus. Problematisch ist dabei allerdings, dass die verschiedenen verwendeten Raumkonzepte weder klar definiert noch konsequent angewendet und unterschieden werden. So erschliesst sich dem Leser beispielsweise nicht, wie die Integration des Schweizer Wirtschaftsraumes in einen Handlungsraum der Diplomatie zu verstehen ist. Überzeugender scheint es, nach der Bedeutung des economic sector in der diplomatischen Kommunikation zu fragen. Dieser Ansatz wird jedoch leider erst sehr spät eingeführt und nicht konsequent verfolgt.

Die Organisation des Salzhandels zwischen Bayern und der Schweiz beschreibt Ott als partielle Territorialisierung. Durch den Vertrieb des Salzes mit Hilfe exterritorialer Behörden und die Kontrolle der Vertriebswege bis zum Bodensee weitete Bayern seinen Wirtschaftsraum weit über sein eigentliches Territorium hinaus aus. Diese Strategie hatte allerdings erst Erfolg, als die genannten Massnahmen durch eine kognitive Erschliessung des Absatzraumes und eine flexible Anpassung an die Bedürfnisse potentieller Kunden ergänzt wurden. Dazu zählte auch die zunehmende Beeinflussung der bayerischen Salzproduktion durch die Schweizer Abnehmer. So entstand im bayerisch-schweizerischen Salzhandel des späten 18. Jahrhunderts eine komplexe, auf wechselseitiger Einflussnahme fussende Raumorganisation.

In einem abschliessenden Ausblick fragt Ott schliesslich, wie sich die politischen Umwälzungen der Jahrhundertwende auf den bayerischen Salzhandel auswirken. Dabei betont Ott zunächst die Kontinuität der bayerischen Raumorganisation, die sich trotz militärischer Bedrohung und revolutionären Ereignissen als äusserst robust erwies. Einen Bruch bedeutete erst die Verpachtung des Salzhandels an die Bayerische Salzhandelsgesellschaft, die allerdings eine kurze Episode blieb. Schon in den Verhandlungen um die territoriale Neuordnung Schwabens spielten traditionelle Strategien wieder eine zentrale Rolle. Ott macht deutlich, dass die bayerischen Verhandlungsführer bestrebt waren, die nicht mehr zeitgemässe partielle Territorialisierung zu überwinden und für den Salzhandel mit der Schweiz entscheidende Gebiete für Bayern zu gewinnen.

Neben den erwähnten inhaltlichen Schwächen fällt negativ auf, dass auf den Einsatz von Karten komplett verzichtet wurde. Solche wären sehr hilfreich gewesen, um die räumliche Situation im Salzhandel zu illustrieren. Trotz aller Kritik gilt es jedoch zu betonen, dass Martin Ott eine materialreiche Studie vorgelegt hat, die den zwischenstaatlichen Salzhandel ausführlich und quellennah beleuchtet. Auf dieser Grundlage werden zahlreiche Mythen der älteren Forschung entkräftet und mit dem zwischenstaatlichen Salzhandel ein bislang kaum beachtetes Thema erstmals erschlossen.

Zitierweise:
Gabi Schopf: Rezension zu: Martin Ott, Salzhandel in der Mitte Europas. Raumorganisation und wirtschaftliche Außenbeziehungen zwischen Bayern, Schwaben und der Schweiz 1750–1815, München: Verlag C. H. Beck, 2013. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 66 Nr. 3, 2016, S. 493-494.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 66 Nr. 3, 2016, S. 493-494.

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